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Einige Infos zu Nicaragua und Leon
Nicaragua liegt in Mittelamerika zwischen Honduras im Norden und Costa Rico im Süden. Im Westen wird Nicaragua vom Pazifischen Ozean und im Osten vom Atlantik bzw. der Karibik begrenzt. Es ist nach Haiti das zweitärmste Land Lateinamerikas. Viele Menschen sind schlecht ausgebildet, arbeitslos und leben in sehr einfachen Verhältnissen.
Managua ist mit ca. 1 Mio. Einwohnern die Hauptstadt von Nicaragua. Leon ist die zweitgrößte Stadt. Sie ist die Stadt der Kirchen, Universitäten, Dichter und der erfolgreichen Revolution der Sandinisten gegen das Unterdrückerregime von Diktator Somoza im Jahre 1979. Außerdem ist Leon eine der Partnerstädte Hamburgs.
Freitag 19. Juli 2013
Vier Lehrer und 14 Schüler der Hamburger Stadtteilschule Blankenese machen sich auf zu einem Ausbildungs- und Technologieprojekt in Nicaragua. Wir sollen bei Bauern in der Region Leon PV-Module und Wasserpumpen installieren, die mit Sonnenenergie versorgt werden.
Begonnen hat unsere Reise am Hamburger Airport mit dem Treffen der Gruppe um 5:30 Uhr und sie dauerte mehr als 24 Stunden. Von Hamburg geht es über London und Miami (hurra Florida) weiter nach Managua (Hauptstadt von Nicaragua) und schließlich nach Leon.
Als wir abends um 19 Uhr auf dem Flughafen in Managua ankommen, ist es überraschender Weise bereits stockdunkel. In Hamburg ist es durch die achtstündige Zeitverschiebung schon 3 Uhr nachts und entsprechend müde sind viele von uns. Es geht aber noch weiter mit einem waghalsig beladenen Bus. Alle Koffer werden im Affentempo aufs Dach des Busses geladen und dann geht es los durch das nächtliche, etwas unheimliche Managua. Heute ist der nationale Feiertag Nicaraguas zum Gedenken an die erfolgreiche Revolution vor 34 Jahren.
Überall auf den Straßen feiern ausgelassene Menschen, den Tag der Befreiung. Überfüllte Busse, auf deren Dächern ebenfalls rufende und winkende Menschen stehen, fahren laut hupend durch die Stadt.
Laute Hupkonzert hörten wir auch an den folgenden Tagen in Leon. Da es dort praktisch keine Ampeln gibt, kündigt sich jedes motorisierte Fahrzeug beim Annähern von Kreuzungen und Seitenstraßen mit der Hupe an. Auch alle Überholvorgänge, links wie rechts, werden durch lautes Hupen eingeleitet.
Als wir uns ins Bett legen, war es 23:15 Uhr Ortszeit bzw. 7:15 Uhr in Hamburg. Unsere Reise dauerte also über 24 Stunden.
Auch das gibt es noch mitten in Leon
Samstag 20. Juli 2013 (1. Tag in Leon, Nicaragua)
Lehrer und Schüler wohnen in verschiedenen Unterkünften und schlafen in der ersten Nacht meist recht gut. Die Lehrer wohnen im ruhigen Guesthouse Nancite, in dem es einen exotisch schönen Palmengarten gibt, in dem wir frühstücken und unsere Besprechungen abhalten. Hier wachsen Bananen, die bald reif sind und von uns gepflückt werden können. Kokosnüsse gibt es ebenfalls und andere exotische Bäume sowie bunte, uns unbekannte, Pflanzen. Manchmal sehen wir Kolibris, die wie Hubschrauber vor den roten Blüten schweben.
Die Schüler wohnen um die Ecke im Hostel Alberge, wo es Mehrbettzimmer gibt Hier ist viel mehr los und es gibt noch viele andere Gäste, mit denen man sich angeregt unterhalten kann.
Nach dem Frühstück treffen wir uns zum ersten gemeinsamen Stadtrundgang. Die Innenstadt ist relativ klein mit Straßen, die rechtwinkligen zueinander liegen. Alle wichtigen Sehenswürdigkeiten, Geschäfte, Restaurants und Kneipen sind in wenigen Minuten zu Fuß zu erreichen. Dies gilt auch für die Firma ENICALSA, mit der wir zusammenarbeiten und in deren Räumen wir uns vorbereiten. Gleich an unserm ersten Tag haben wir die relativ kleine Innenstadt besichtigt, Geld von US-Dollar in Cordobas (einheimische Währung) umgetauscht und im Super Mercado Vorräte fürs Wochenende eingekauft. Unsere ersten Cordobas erhielten wir nicht in einer Bank, sondern von den „one man banks“. Das sind Geldwechsler, die auf der Straße stehen und mit großen Dollar- und Cordoba-Bündeln in den Händen winken. Dies ist hier – vermuten wir – völlig legal, sehr praktisch und eine Förderung hiesiger Arbeitsplätze in der privaten Finanzbranche.
Anschließend fuhren wir dann endlich zur Besichtigung unseres ersten Projektes, wo die Vorgängerschulklasse im letzten Jahr Photovoltaikanlagen, Wasserpumpen und einen Wasserspeicher aufgebaut hatte. Die gesamte Anlage muss von uns nun noch optimiert werden. Vor allem soll aber eine Datenübertragungstechnik nach Deutschland eingebaut werden, damit wir in Hamburg jederzeit sehen können, wie unsere PV-Module und Wasserpumpen in Nicaragua arbeiten.
Eine rumplige, steinige Straße, auf der Kühe, Schweine und streunende Hunde laufen, führt uns zu Titos Finca (Farm). Einige Lehrer und Schüler müssen aus Platzmangel auf der Ladefläche unseres Pick-Ups platznehmen, so dass wir mit mehr als 10 Leuten in einem Auto fahren können. In Nicaragua ist dies eine normale Reisemethode innerhalb der Stadt oder auf Überlandfahrten.
Nichts kann uns aufhalten, weder tiefe Schlaglöcher und herabhängende Äste noch zwei zu durchquerende Bäche. Alle Widrigkeiten führen nur zu einer fröhlich wippenden, begeistert rufenden und gut durchgekämmten Reisegesellschaft. Am Ziel angekommen, sehen wir die guten Konstruktionen unserer Vorgängerklasse, die es jetzt zu toppen geht. PV-Anlagen, Brunnen, Wasserpumpen und Speicher alles prima installiert, aber wir wollen es noch mit modernster Technik verbessern. Vor allem aber wollen wir 2 verschiedene Pumpen miteinander vergleichen. Dazu müssen die Bedingungen von beiden Systemen vergleichbar sein, d.h. wir müssen einen nahezu identischen Aufbau der Pumpsysteme schaffen.
Die herum laufenden Hühner und Küken sowie den Nationalvogel von Nicaragua, der auf einem Baum nistet, an dem unsere Anlage steht, werden wir natürlich nicht verjagen.
Nach einem bewegten ersten Tag kommt eine ruhige Nacht, in der wir Kraft für neue Abenteuer sammelnd.
Total in die Arbeit vertieft
Sonntag 21. Juli 2013 (2. Tag in Leon, Nicaragua)
Den Sonntag wollen wir nicht durch harte Arbeit entehren und fahren deshalb zum Strand ans Meer. Auf der Fahrt dorthin sehen wir viele Wohngegenden mit schlecht gebauten Häusern und Hütten. Viele der wild herum fahrenden Autos hätten bei uns keine Chance den Hof des TÜVs zu verlassen. Ich hätte mir gerne mal das Haltbarkeitsdatum auf der TÜV-Plakette angesehen, aber leider verzichten gerade die interessantesten Autos sicherheitshalber auf verräterische Nummernschilder.
Der Tag am Meer wird traumhaft schön mit angenehmer Sonne, Palmenstränden, Cocktailbars, Reggae-Stimmung und den tollen meterhohen Wellen, die immer wieder auf die Küste zurollen. Die Brecher schlagen uns an Brust oder Rücken und hauen uns um. Trotzdem ist es ein riesiger Spaß von den Wellen überrollt zu werden. Traumhaft gut schmecken auch die frischgepressten Fruchtcocktails, die in großen Gläsern und zu erstaunlich niedrigen Preisen serviert werden. Nach dem Baden und Strandspaziergängen müssen wir zurück nach Leon.
Denn am Abend sind die Lehrer ins Theatro Esperanza zu einem echten Nicaragua Kulturprogramm eingeladen. Tänzerinnen und Tänzer präsentieren in schönen Kostümen Volkstänze. Besonders beeindruckt hat mich der Tanz eines Paares, das aus einer über 4 m großen westlich gekleideten Frauenfigur und einem sehr kleinen Südamerikaner mit einem riesigen Kopf bestand. Die Frau soll die äußerliche Größe und Pracht der spanischen Einwanderer symbolisieren, die innerlich hohl ist. Der kleine Tänzer mit dem großen Kopf weist auf das große Wissen der einheimischen und ursprünglichen Bevölkerung hin.
Nach dieser beeindruckenden Vorstellung gingen wir zum Begrüßungsessen ins Haus der Familie Navaes. Hier wohnen vier Generationen im Alter von 5 bis 95 Jahren unter einem Dach. Wer noch arbeiten kann bzw. Arbeit hat, ernährt die anderen. Eine tolle Familie, die zusammenhält und trotz Armut voller Lebensfreude ist. Dem entsprechend reichhaltig war auch das für uns 18 Hamburger Gäste und den Familienmitgliedern zubereitete Essen. Es wurde ein sehr fröhliches Fest mit vollgefüllter Tafel und den von uns mitgebrachten Getränken. Zu Musik aus Nicaragua tanzen wir ausgelassen und genießen die fröhliche Atmosphäre und die warmherzige Gastfreundschaft. Eigentlich erstaunlich, da 15 der eingeladenen Gäste ihre Gastgeber hier zum ersten Mal sehen. Wir unterhalten uns mit Händen und Füßen, einigen Brocken Spanisch und einem als Übersetzer fungierendem Schüler.
Dieses schöne fest werden wir noch lange in Erinnerung behalten.
Montag 22. Juli 2013 (3. Tag in Leon, Nicaragua)
Heute beginnt unser erster, richtiger Arbeitstag mit dem Besuch der Firma ENICALSA, die nur 5 Gehminuten von unseren Unterkünften entfernt ist. Sie ist unser Hauptquartier, Vorratslager und der Arbeitsplatz, wo wir alle Vorbereitungsarbeiten durchführen.
Die Firma hat sich auf Bewässerungsprojekte und die Nutzung der Sonnenenergie spezialisiert. Der freundliche Chef von ENICALSA heißt Benito und spricht fließend Deutsch. Da er fast zwei Jahrzehnte in Deutschland lebte. Er betreut die Kunden sowie die Projekte und kennt die abenteuerlichen Offroad Anfahrtswege zu ihren Fincas (Farmen).
Wir bilden 4 Gruppen für 4 unterschiedliche Aufgaben in 3 verschiedenen Projekten, die im Umkreis von Leon liegen. Alle Gruppen treffen sich täglich bis auf Sonntag jeweils um 9 Uhr bei ENICALSA. Es wird berichtet, wie weit der Stand der einzelnen Projekte ist, was am jeweiligen Tag gemacht werden soll und welches Material aus dem Lager benötigt bzw. neu gekauft werden muss.
Heute fahren 2 Gruppen raus zu Titos Finca, unserem größten und kompliziertesten Projekt. Es besteht, wie alle Projekte aus einem Brunnen, Wasserpumpen und PV-Modulen. Hier gibt es zusätzlich einem Wasserspeicher und einen Schaltschrank mit SPS-Steuereinheiten, Akkus, Laderegler, sowie Sensoren für die Sonnenintensität, Temperatur, Wasserdruck und die Wasserdurchflussrate. Mit der modernsten Technik von Siemens (SPS: Speicher Programmierbare Steuerung) sollen die Messdaten für mindestens ein Jahr aufgezeichnet und per Internetverbindung nach Hamburg geschickt werden. So können wir die Messdaten auch bei uns zu Hause in unserer Hamburger Schule sehen, speichern und auswerten.
Die beiden anderen Gruppen machen Zeichnungen, sägen Stützelemente zu und probieren so viel wie möglich bei ENICALSA vorzumontieren und auszuprobieren.
Damit sollen die Arbeitszeiten an den Installationsorten verkürzt werden, weil auf den Feldern nicht alle benötigten Werkzeuge zur Verfügung stehen. Außerdem herrschen dort häufig Temperaturen von bis zu 40 Grad Celsius.
Nach getaner Arbeit treffen sich alle gegen 19 Uhr zu einem gemeinsamen Abendessen in einem Restaurant bzw. Kneipe.
Unser Hauptprojekt: PV-Module, Wasserpumpen und Wassertank auf Titos Finca
Dienstag 23. Juli 2013 (4. Tag in Leon, Nicaragua)
Es ist ein normaler Arbeitstag ohne außergewöhnliche Ereignisse. Leider gibt es einige technische Probleme bei den Gruppen 1 und 2. Es muss geklärt werden, ob es an der Software für die SPS-Steuerung von Gruppe 1 liegt oder an der Hardware, für die Gruppe 2 verantwortlich ist. Da die Auftraggeberin des 2. Projekts nicht erreichbar ist, hat Gruppe 3 momentan wenig zu tun. Gruppe 4 fährt raus aufs Land zur Finca von Herasmo und begutachtet die Baustelle und macht zur Dokumentation Fotos und Zeichnungen der bisherigen Installation, die um 2 PV-Module und eine neue Pumpe erweitert werden soll. Auf dem Wege zum Einsatzort müssen wir dauernd über Bodenwellen fahren, die uns kräftig durchschütteln. Benito, unser Ansprechpartner und Dolmetscher erklärt uns, dass die kleinen Hügel auf der Straße „tote Polizisten“ heißen und dafür sorgen, dass die Fahrgeschwindigkeit nicht zu groß wird. Uns fallen auch Schweine und Hunde auf, die seltsame Geweihe tragen. Beim genaueren Hinsehen, erkennt man, dass sie zwei Stöckchen tragen, die am Hals befestigt sind und V-förmig nach oben ragen. Mit dieser einfachen und kostengünstigen Konstruktion wird dafür gesorgt, dass die eigenen Tiere nicht durch die Stacheldrahtreihen der Zäune hindurch nach außen ausbrechen können. Auch einige, der sehr vielen herumstreunenden Hunde tragen diese Geweihe, damit sie nicht durch die Absperrungen in Weiden und Felder eindringen können.
Höhepunkt des Tages ist das von den Schülern zubereitete, vegetarische Abendessen, das allen hervorragend schmeckt.
Gruppenfoto von Gruppe 4 nach erfolgreichem Abschluss der Arbeit auf Herasmos Finca
Mittwoch 24. Juli 2013 (5. Tag in Leon, Nicaragua)
Es ist ein normaler Arbeitstag mit guten Fortschritten und auch einigen Problemen.
Da sonst nicht viel passiert ist, noch einige Anmerkungen zu Leon.
Die Bürgersteige sind recht schmal und bieten bei Unachtsamkeit einige Gefahren. Es gibt tiefe Löcher auf den Gehwegen und hochgeklappte Auffahrtsrampen, die hinuntergeklappt, die Auffahrt über die Bordsteinkanten in Garagen und Hinterhöfe ermöglichen. Man muss also dauernd den Boden im Auge behalten, um nicht zu stolpern oder in Löcher zu rutschen. Mit dem Blick nach unten sieht man unglaublich viel Schmutz. Dort liegen Reste von Früchten und anderen Lebensmitteln und Plastik in Form von Tüten, Flaschen und Verpackungsmaterialien. Müll findet man auf Schritt und Tritt auf den Straßen und sogar in Gärten, auf Landstraßen, in Flüssen, in Bäumen hängend und sogar auf landwirtschaftlich genutzten Flächen.
Aus diesem Brunnen wird das Wasser mit Sonnenenergie 20 m nach oben gepumpt
Donnerstag 25. Juli 2013 (6. Tag in Leon, Nicaragua)
Heute sind wir in die Universidad De Ciencias Comerciales (UCC) eingeladen. Diese Hochschule für wissenschaftliche Ökonomie macht eine Veranstaltung zur sozialen Verantwortung von Unternehmen im Bereich Ausbildung von Schülern und Studenten.
Wir stellen das Projekt „Aqua est Vida“ unserer Schule vor und unsere Motivationen. Wir erwähnen die Firmen Siemens, ENICALSA und SET, die unsere Arbeit in großem Maße unterstützt haben. Damit wollen wir Firmen aus Nicaragua anregen, ähnliche Ausbildungsprojekte zu fördern. Wenn Firmen Schulen und Universitäten bei der technischen Ausbildung unterstützen, erhalten sie gut ausgebildete Absolventen, die dann später in ihren Firmen gute praktische Arbeit leisten könnten. So wäscht eine Hand die andere, zumal schon während der Ausbildungszeit Kontakte zwischen Schülern bzw. Studenten und den unterstützenden Unternehmen hergestellt werden. Von der Werbewirksamkeit solcher Initiativen wollen wir gar nicht sprechen. Da unsere Kurzvorträge und die PowerPoint Präsentation ins Spanische übersetzt werden, können alle Anwesenden die Inhalte verstehen.
Wandgemälde in Leon in Erinnerung an den Befreiungskampf gegen die Armee von Diktator Somoza
Freitag 26. Juli 2013 (7. Tag in Leon, Nicaragua)
Mit dem heutigen Tag sind wir genau eine Woche in Nicaragua, vielen kommt es viel länger vor, weil wir schon so viel erlebt haben.
Schüler und Lehrer arbeiten sehr gut zusammen. Glücklicher Weise haben wir in der Firma ENICALSA eine kleine Werkstatt, in der wir alle Arbeiten vorbereiten können, meist mit unserem aus Hamburg mitgebrachten Werkzeug. Hier arbeiten wir als Konstrukteure von Gerüsten und Halterungen von Solaranlagen auf Brunnen und Wasserbecken, als Elektriker, Elektroniker und Programmierer. Wir müssen uns in viele neue Themen und der praktischen Umsetzung des zu Hause Gelernten einarbeiten. Dabei treten immer wieder Komplikationen auf, die erkannt, diskutiert und überwunden werden müssen. Das gelingt mit Ruhe und Gelassenheit, technischem Verstand, Improvisationsvermögen und guter Teamarbeit.
Norbert Römer
Teil 2 des Reisetagebuchs aus Nicaragua finden Sie hier.
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